9
Monate (korrigiert 6 Monate)
Der Mai hatte
es mal wieder ganz schön in sich und war voller Überraschungen
und Veränderungen.
Alles fing damit
an, dass sich eine Gedeihstörung bei mir immer deutlicher abzeichnete.
Die letzten Wochen wollte ich einfach nicht mehr ordentlich zunehmen,
d. h. ich wollte schon, aber ich schaffte es nicht mehr, wobei ich dazu
sagen muß, daß mir das Zunehmen seit jeher Probleme bereitete.
Jetzt erreichte ich allerdings nicht einmal mehr den untersten Level an
Gewichtszunahme pro Monat. Mit Müh' und Not legte ich pro Woche maximal
60 g zu, wenn überhaupt. An nicht ausreichender Mumi lag es nicht,
von den Mengen her trank ich meist mehr als ich müsste (Mama hat
mich nach jeder Mahlzeit gewogen, ein paar Tage lang sogar nachts und
sogar schon die Waage ausgetauscht). Ich war auch ziemlich müde seit
ein paar Tagen, irgendwie schlapp und selbst das Mumi trinken an Mamis
Brust schien mir seit kurzem mühsam. Die KIÄ stellte dann Anfang
Mai mittels Blutuntersuchung fest, dass all meine Eisenreserven total
aufgebraucht waren. Für sie war klar, dass es jetzt also auch mich
erwischt hatte: das Beikostalter war gekommen, immerhin wurde ich jetzt
schon 9 Monate voll gestillt, wenn man von meinem tatsächlichen Alter
ausging.
Mich hatte allerdings
keiner gefragt. Ich wollte das olle Gemüsezeugs nämlich nicht,
was Mama nun stetig versuchte, mir mittags schmackhaft zu machen. Ich
wollte nix weiter als meine heiß geliebte Mumi, ging doch bisher
auch. Die KIÄ drängte und verschrieb
Eisentropfen (Ferrum Hausmann). Die waren ja erstmal eklig, okay, dann
doch lieber ein/zwei Löffelchen Gemüsepampe. Schließlich
musste Papa ran, als sich der Erfolg nicht einstellte, er sollte mir den
Gemüsebrei noch schmackhafter machen, da Stillkinder von Mama laut
KIÄ meist nichts anderes nähmen als Mumi. Aber ich blieb eisern,
nix da und Papa verlor schnell die Geduld. Also wieder Mama. Mama probierte
alle Varianten: mit dem Löffel, mit dem Finger, mit meinem eigenen
Finger (ja, ich durfte rummantschen, das fand ich ganz okay), erst Brei,
dann Mumi (ich wartete zur Not gern auf die Mumi), erst stillen, dann
als Dessert ein paar Löffelchen (nee, da war ich längst satt),
gut, dann erst etwas Mumi, dann Brei und nochmals Mumi (Brei war nicht
nötig, fand ich, ich wusste doch Mama ließe mich nicht verhungern
und gab mir stets noch den fehlenden Rest). Die KIÄ verunsicherte
Mama zunehmend. Jetzt sollte sie noch zusätzlich Flaschennahrung
anbieten, damit ich endlich wieder zunahm. Das begriff Mama gar nicht,
da sie definitiv genug Milch für mich hatte und mehr Kalorien hatte
doch das Zeug auch nicht. Sie kaufte es trotzdem, aber ich zog nur einen
ordentlichen Flunsch und aus der Flasche sollte ich trinken, ich? Nie
und nimmer mehr. Ich verstand die Welt nicht mehr, warum konnten wir es
nicht alle bei "nur Mumi" belassen? Mama ist Monate später
noch wütend, dass sie sich so hat verunsichern und bedrängen
lassen, Jetzt aus den Erfahrungen heraus, hätte sie mir einfach Eisentropfen
gegeben, damit ich keinen Mangel erleide und etwas mehr Zeit gelassen,
das hätte uns nachher einiges erspart. Aber hinterher ist man wohl
immer schlauer. Außerdem ist Mama inzwischen dank diverser Listen
(www.fruehchen-netz.de und www.wirstillen.de) auch viel informierter.
Die KIÄ
verordnete schließlich noch zusätzliche Kalorien von Milupa.
Da sollte Mama vorher 30 ml Mumi abpumpen, das Zeugs darunter mischen
und mir per Spritze einflößen, aber was sollte das Ganze, zu
Spritzen habe ich eh von klein auf ein gespaltenes Verhältnis.
Mama wollte es dann mit süßem Milchbrei probieren, da Mumi
ja auch süß ist, aber davon war die KIÄ wiederum nicht
begeistert. Außerdem hatte Mama den Eindruck, dass ich die Eisentropfen
nicht vertrug. Mein durch Mumi eh schon dünner Stuhl wurde noch dünner
und viel häufiger. Ich bekam erhöhte Temperatur und dann so
richtig Durchfall. Bauchkrämpfe schüttelten mich, meist so 15
- 20 min nach der Eisentropfengabe. Die KIÄ wollte es erst nicht
glauben, dass es an den Eisentropfen lag, da sie normalerweise eher stopfend
wirken, aber gut, sollten wir die Menge eben reduzieren. Das hatte Mama
längst gemacht, selbst bei nur zwei Tropfen brachte es nicht den
gewünschten Erfolg. Der Durchfall blieb und wir rannten täglich
zum KIÄ wegen evtl. Austrocknungserscheinungen.
Mamis Nerven lagen mittlerweile ganz schön blank. Ich sollte dann
für sechs Stunden ausschließlich ein Elektrolytgemisch trinken
und anschließend für 12 Stunden Reisschleim bekommen. Aber
wie meine Eltern das bewerkstelligen sollten, erklärte uns niemand.
In ihrer Verzweiflung spritzten sie mir dann sozusagen zwangsweise die
Spritze mit den Elektrolyten in den Mund, ich schrie wie am Spieß
und schaute extra vorwurfsvoll. Kurzerhand nahm mich Mama dann einfach
an die Brust und ich durfte endlich, endlich einfach wieder nur leckere
Mumi schlürfen. Hauptsache war doch, dass mindestens die Flüssigkeit,
die ich unten in meine Windel spritzte, auch oben wieder nachgefüllt
wurde und das konnte ich mit Mumi doch locker schaffen :.
Diese ganze
Aktion fand nur wenige Tage vor unserem lange geplanten Urlaub statt.
Wir wollten nämlich Oma und Opa an der Nordsee besuchen. Es sollte
meine erste große Reise werden. Papa musste nämlich auf einen
Lehrgang an den Starnberger See und damit Mama und ich nicht so alleine
waren, wollten wir uns für ein paar Wochen dort einnisten und nach
Papas Lehrgang noch alle gemeinsam ein/zwei Urlaubswochen dort verbringen.
Wir befürchteten schon, die Reise würde ins Wasser fallen, aber
die KIÄ meinte, wir wären ja nicht aus der Welt und an der Therapie
ändere sich eh nichts, solange es bei 5-6 x Durchfall pro Tag bliebe
Mitwoch abend kamen wir dann aber schon auf 10 x Dünnschiss, unsere
Taschen waren aber alle schon fertig gepackt. Wir sind dann trotzdem Donnerstag
losgefahren, meine Großeltern hatten sich schon vorsorglich nach
einem KIA vor Ort kundig gemacht.
Meine erste
große Reise war ziemlich spannend. Eigentlich bin ich ja die geborene
"Autofahrhasserin" und brüllte stets bis ich schweißgebadet
und erschöpft war, um nach tiefem, aber kurzem Luftholen stets so
lange weiterzuheulen bis ich wieder aussteigen durfte.
Wie andere Babys im Auto schlafen konnten, war mir ein Rätsel. Meine
Eltern sind daher, wann immer es möglich war, nur zu zweit mit mir
im Auto gefahren, damit mich einer hinten zumindest versuchen konnte abzulenken
oder zu beruhigen bzw. mich zum erneuten Luftholen zu animieren, wenn
ich es vor lauter Wut schlicht vergaß.
Zu ihrer Überraschung war ich diesmal aber ganz entspannt und ließ
mich mit allerlei Spielchen klasse ablenken. Ich hatte es eben im Gefühl,
dass diese Autofahrt keine gewöhnliche war. Nur dreimal während
der 6 ½ stündigen Fahrt brauchte ich frische Windeln. Mama
hatte die Eisentropfen auf eigene Verantwortung abgesetzt. Sollte es doch
daran gelegen haben? Wie sich später herausstellte war dies tatsächlich
der Fall, ich vertrug sie einfach nicht.
Der Urlaub bei
Oma und Opa war dann wirklich schön. Leider aber machte meiner Lunge
das Reizklima doch sehr zu schaffen und ich musste viel husten. Mama schleppte
mich dann auch dort zum Arzt und den habe ich die ganze Zeit einfach vollgequasselt,
während er sich von Mama in Seelenruhe meine Vorgeschichte anhörte.
Na ja, ich wollte eben auch mitreden. Er meinte dann irgendwann schmunzelnd:
"Und weshalb sind sie hier? Ihre Tochter fängt an zu reden und
sie brauchen einen Rat, weil es ihnen mittlerweile auf die Nerven geht?"
Der Arzt war total klasse. Neonatologe und somit bestens bewandert auf
dem Gebiet "Frühchen". Auch die Praxis war ein wahrer Traum
nicht nur für Kinder. Er meinte auch, es wäre normal, dass ich
das Reizklima noch nicht so gut wegsteckte. Bliebe ich allerdings 6-8
Wochen würde auch ich davon profitieren. Tja, fürs erste mussten
aber fünf Wochen reichen.
Bei Oma und
Opa habe ich auch wieder jede Menge dazu gelernt. Ich konnte jetzt nach
Aufforderung in die Hände klatschen und Spielzeug blitzschnell von
einer Hand in die andere wechseln und es mir von überall selbst herholen,
Voraussetzung: es lag irgendwo in meiner unmittelbaren Umgebung, ob nun
über dem Kopf oder unter meinen Beinen.
Mein Musik-Fitnesscenter war immer noch die Nr. 1 schlechthin. Den Esstisch
konnte ich auch schon gut abräumen. Ruck zuck zog ich an den Tischsets
oder nahm mir gleich einen Teller, ob man damit wohl Frisbee spielen konnte?
Im Herunterschmeißen war ich nämlich Weltmeister. Sichtlich
zufrieden mit meiner Action haute ich dann ordentlich auf den Tisch, grinsend
wie ein Schmalzkanten.
Dass Papa sich
aber drei volle Wochen wegen eines Lehrgangs davongestohlen hatte, konnte
ich ihm so schnell nicht verzeihen. Als er wiederkam wollte ich erst einmal
nichts mehr von ihm wissen. Ich war ganz schön beleidigt, schließlich
hatte ich ihn sehr vermisst. Strafe muss sein!
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