01.11.00 - 02.11.00 (noch 12. Woche):
Dass dieser 01.11.2000 ein solch besonderer Tag werden
sollte, ahnten wir wohl nicht. Dass aber irgendeine Veränderung
in der Luft lag, war mir den ganzen Tag instinktiv schon bewusst.
Vormittags kauften wir bei H & M für Elina ihr erstes Kleidchen
in Gr. 50 in zartem Grün, der Farbe der Hoffnung. Wir hatten
dann noch einige Querelen mit der Hausbauerei, konnten dafür
aber problemlos den Kaufvertrag für den Zwillingskinderwagen
stornieren und wurden sogar weiter fündig: Wir erstanden einen
Kombikinderwagen von Teutonia mit Lufträdern inkl. Tragetasche,
Regenschutz, Sonnenschirm und Einkaufsnetz und im Dessin dazu passend
eine Römer Baby Star Babyschale. Auf einen Schlag waren wir
einen guten Tausender los, aber unser kleiner Liebling war dann
schon mal für die Reise nach Hause gerüstet.
Aus diesen Gründen betraten wir etwas später als üblich
die Neo I der Charité. Auf dem langen Gang dorthin beschlich
mich so ein merkwürdiges Gefühl und ich meinte noch scherzhaft
zu Matthias, nicht, dass sie Elina ausgerechnet heute auf die Neo
II verlegt hatten, wo wir so spät kamen. Mich beschäftigte
das sehr, denn ich kam nicht gerne zu spät zu meinem Mäuschen,
da ich sie nicht gerne warten ließ und jede Minute ohne sie
eine verlorene Minute war. Natürlich rechnete ich nicht ernsthaft
damit und als uns eine Schwester entgegenkam, sackte mir schon wieder
das Herz in die Hose. Als sie mit Gesten eine Kehrtwendung anzeigte,
wurde mir fast schwindlig und als sie uns auf die Neo II schickte,
waren ich ebenso wie mein Mann fassungslos vor Freude.
Am 01.11.00 um genau 10.10
Uhr
wurde Elina mit einem Aufnahmegewicht von 1755 g auf die Neo II
verlegt.
Wir wussten zwar nicht genau, was uns dort erwartete,
auch nicht wie lange der Krankenhausaufenthalt noch dauern sollte,
aber eines wussten wir: Es war ein großer Schritt in die richtige
Richtung. Wir hatten zwar auch schon gehört und bei Elinas
"Inkubatorliebe" Moritz direkt miterlebt, dass es leider
auch jederzeit ein Zurück auf die Neo I geben konnte, aber
diesen Gedanken verdrängten wir zunächst erfolgreich,
frei nach dem Motto: "Cross the bridge when you get there!"
Elina lag dort auf der Intensivüberwachungsstation
mit 6 Plätzen, die direkt an die Neo I grenzte. Ein Unterschied
zur Neo I lag schon mal darin, dass auf 6 kleine Patienten nur noch
eine Schwester kam. Auf der Intensivstation der Neo I hatte jedes
Kindlein eine eigene Schwester, musste sie nur selten mit einem
weiteren kleinen Patienten teilen. Auch erhielt Elina nun nur noch
8 Mahlzeiten anstatt 12 und folglich 30 ml Mumi pro Mahlzeit. Sie
vertrug die Umstellung gut bis auf den geblähten Bauch. Die
Versorgungszeiten waren nun 10.30 Uhr, 13.30 Uhr, 16.30 Uhr und
19.30 Uhr. Ein Monitor überwachte weiter Herz, Atmung und O2-Sättigung.
Eine freundliche Schwester wies uns sogleich ein und sprach über
den bislang größten Unterschied zur Neo I: Man war jetzt
selbstverantwortlich für sein Kind, das hieß, wenn es
der Gesundheitszustand erlaubte, durfte man es herausnehmen, herumtragen,
mit seinem Baby kuscheln, wann immer man wollte. Nur das Versorgen
und Füttern war bis auf Ausnahmefälle auf die Versorgungszeiten
beschränkt. Wenn man das Kind zum Kuscheln oder Herumtragen
herausnahm, durfte man die Kabel selbst vom Monitor abtrennen und
auch während der Versorgungszeiten, beispielsweise beim Windeln
wechseln, war das Kind nicht per Monitor überwacht. Ein völlig
neues Gefühl von Freiheit, aber auch ein Gefühl der Unsicherheit
und der Sorge, was, wenn sie schlechte Werte bekam und man es nicht
rechtzeitig bemerkte?
Die Akten durften auch zu jederzeit ausgiebigst studiert werden,
was auf der Neo I nicht allzu gern gesehen wurde. Die Station umfasste
19 weitere Betten, davon ein "Entlassungszimmer". Es standen
drei Liegestühle zum Kuscheln zur Verfügung und 3 Kinderwägen.
Zum ersten Mal überhaupt, wickelten wir Elina
auf einer Wickelkommode mit Babypflegemitteln (zuvor gab es nur
Vaseline für die Haut) und es war ein ganz großartiges
Gefühl, eben wie als hätte man ein ganz "normales"
Baby.
Es gab noch einen weiteren Höhepunkt, der Höhepunkt
schlechthin für mich als Mutter:
Nach drei Monaten Mumi abpumpen, durfte ich Elina endlich selbst
anlegen!!!!
Elina leckte erst ganz vorsichtig mit der Zunge die Brustwarze ab,
der ich zuvor ein paar Tropfen entlocken konnte. Währenddessen
schielte sie mit einem Auge zu mir hoch und lächelte. Ich war
den Tränen nahe vor Rührung und Glücksgefühlen.
Schließlich nahm sie sogar ein paar kräftige Züge
und nuckelte während der Trinkpausen genüßlich an
der Brust, nickte auch mal ein, die Brustwarze aber fest im Griff.
Es waren letzendlich nur ca. 5 g, aber für den Anfang durchaus
vielversprechend, denn es war ja auch im Gegensatz zur Flasche deutlich
anstrengender. Für mich war das Stillen ein unvergleichlich
tolles Gefühl, vor allem hinsichtlich der Milchpumpe, bei der
man eher einer Milchkuh gleichkam, zumindest vom Gefühl her.
Die Flasche anschließend war ratzfatz leergetrunken und ein
Bäuerchen folgte. Wir kuschelten dann noch ausgiebig und freuten
uns schon auf morgen.
Der nächste Tag (2.11.) verlief ähnlich
harmonisch mit extra vielen Kuscheleinheiten, teils sogar ohne Überwachung.
Elina lag friedlich in meinem Arm und ich beobachte sie die ganze
Zeit akribisch genau. Keine Veränderung durfte mir entgehen
und zudem konnte ich nie genug kriegen, dieses kleine, zarte Gesichtlein
zu betrachten. Elina trank in meinen Augen sogar sehr viel Mumi
aus der Brust, was diese stolz anschwellen ließ :-))), aber
diese dämliche Waage zeigte 15 g weniger als zuvor, häää?
Sie hatte dann aber doch sichtlich Mühe, anschließend
die Flasche leer zu kriegen.
Einen kleinen Hieb am Rande gab es dennoch: Die auf
der Neo I so gern gesehenen eigenen winzigen Babysachen hätten
auf der Neo II nichts zu suchen, gingen dort bloß verloren,
sie hätten dort selbst genug. Wir fanden das etwas traurig,
zumal man diese Sachen dort in Gr. 50 noch dreimal um Elina hätte
herumwickeln können, so groß wirkten sie bei gerade mal
41 cm Länge von Elina.
|